Magie ist keine besondere angeborene Gabe. Jeder kann die Riten und Symbole lernen, die nötig sind, um aus alltäglichen Tätigkeiten magisches Wirken werden zu lassen. Die Grenze zwischen Handwerkskunst und Zauberei ist fließend. Als Spielleitung haben wir uns bewusst dafür entschieden, dass die Magie in Wintruz nicht immer klaren Regeln folgt. Grundsätzlich gilt, dass stimmige, kreative Versuche belohnt werden – und im Folgenden stecken wir den Rahmen dafür ab.
Zauberei arbeitet mit dem Aussprechen von Absichten vor Zeugen, mit symbolischer Handlung und oft auch mit handwerklichen Tätigkeiten. Für außergewöhnliche Effekte ist es zusätzlich notwendig, beim Zaubern ein Opfer zu bringen oder einen Nachteil in Kauf zu nehmen. Zauberei muss bezeugt werden – ein heimlich ausgesprochener Fluch oder ein Orakel alleine im Wald funktionieren einfach nicht. Der oder die Zaubernde weiß oft nicht, ob es funktioniert – die Umstehenden noch weniger. Die Ergebnisse zeigen sich mit der Zeit.
Tatsächlich ist es so, dass Handwerk und Zauberei eng miteinander verknüpft sind und jede Handwerkerin die richtigen Anrufungen, Gebete, Schutzzeichen und Rituale mit dem Handwerk erlernt. Während das meiste davon fast unmerkliche Folgen hat, sind auch drastischere Ergebnisse möglich (zum Beispiel eine Brettchenborte zu weben, die niemals reißt, oder ein Schwert zu schmieden, das einen bestimmten Gegner mit einem Streich töten kann).
Macht und Magie
Als Leitlinie kann dienen, dass ein Zauber umso mächtiger ist, je besser er dargestellt wurde und je mehr Leute aktiv an ihm teilgenommen haben. Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Macht und dem Ruhm einer Person und der Magie, die mit, durch oder gegen sie verwendet werden kann. Auch die Erfahrung des Wirkers in einem entsprechenden Handwerk kann ein Anhaltspunkt dafür sein, wie stark seine Zauber sind. Dementsprechend sind Opfer von mächtigen Leuten, mächtigen Feinden oder Gegenständen von großer Bedeutung auch mächtiger als solche, die unbedeutend sind, und mächtige Feinde sind schwerer zu verzaubern als unbedeutende.
Allgemein kann man sagen: Je mehr Ringe und Schwurzeichen jemand am Eidring hat, desto stärker ihre Magie.
Darstellung und Regeln
Jeder Zauber – sein Wirken und seine Effekte – müssen glaubhaft im Spiel dargestellt werden, durch Ritual, Gebet und Handwerk, und intime bezeugt werden. Die Spieler:innen des von der Magie betroffenen Charakters oder die SL entscheiden, wie wirksam ein bestimmter Zauber ist – es gilt, wie immer: DKWDDK (siehe Seite 89). Telling, also outtime eine Wirkung festzulegen und diese outtime mitzuteilen, ist für Spieler dabei nicht möglich – Beeinflussungszauber müssen also im Spiel so gewirkt werden, dass der oder die Betroffene weiß, was passiert ist. Es gibt für SC keine Zauber, die sofort einen unmittelbaren Effekt auf jemand anderen haben, zum Beispiel Flüche, die ein Opfer direkt mit Schwäche oder Furcht schlagen, oder Liebeszauber, die sofort zu Schmetterlingen im Bauch führen – selbst ein Beeinflussungszauber wirkt langsam und bringt das Opfer erst Schritt für Schritt dazu, die beabsichtigte Handlung oder das gewünschte Verhalten an den Tag zu legen. Andere Wesen und Völker, wie Geister oder auch die Fernen, besitzen unter Umständen Kräfte, die eine direkte und unmittelbare Auswirkung haben können. Dies wird aber aus dem Spiel ersichtlich sein und folgt auch den beiden Regeln des DKWDDK.
Das Wirken von Zaubern sollte immer als solches erkennbar sein und muss von anderen Charakteren bezeugt werden! Ein Zauber, den niemand mitbekommt, bereichert das Spiel nicht und hat auch keine Wirkung. Egal ob kleiner Zauber oder großes Ritual – ihr macht die Darstellung in erster Linie nicht, um einer SL zu gefallen, sondern um euren Mitspieler:innen eine interessante Show zu bieten. Bei Ritualen ist es wichtig, die Teilnehmer und Umstehenden so einzubinden, dass sie sich als Teil des Ganzen fühlen können. Ruf-und-Antwort-Elemente, gemeinsame Sprechchöre oder koordinierte Bewegungen können hier für willkommene Kurzweil sorgen. Wenn man schon vor einer Veranstaltung Zeit hat, das Ritual vorzubereiten, sind einstudierte Choreografien besonders eindrucksvoll.
Vor allem wenn ihr jemand anderen betreffen wollt, müsst ihr den Mitspieler durch eure Darstellung davon überzeugen, den Effekt anzunehmen und auszuspielen. Gerade beim Zaubern heißt DKWDDK oft DKWDAGMK: Du kannst, was Du andere glauben machen kannst.
Beispiele:
- Anrufen der Götter um einen Hinweis auf Schicksalswendung durch das Vergießen eines Trankopfers.
- Kochen eines Eintopfs am Herdfeuer, der jedem, der das Haus schützt, besondere Kräfte gibt.
- Aufstellen eines Geisterzaunes mit den Körperteilen der erschlagenen Feinde, um ihre lebenden Kumpanen daran zu hindern, diesen zu durchschreiten.
- Anrufen der Götter beim Geraderichten eines gebrochenen Knochens.
- Bemalung mit einem aufwändigen Warpaint als Schutz vor Stahlklingen.
Kurz nach Beginn des Kriegs gegen die Fjarri begannen die Zauber des Wintervolks an Macht zu verlieren. Niemand weiß, ob es mit einer Kriegslist des Feindes zu tun hat oder einen anderen Grund hatte. Tatsache ist, dass viele Zauber, die seit Generationen zum Alltag gehört haben, nicht mehr so wirkten, wie man es gewohnt war – wenn sie überhaupt noch wirkten. Dies hatte fatale Folgen für den Krieg: Schutzzeichen, die den Feind am Vorrücken hinderten, ließen erst einige Kämpfer, dann ganze Truppen passieren; verzauberte Waffen und Rüstungen waren „nur noch“ hochwertige, aber mundane Gegenstände. Das Schwinden besiegelte die Niederlage des Wintervolkes. Einige Angehörige des Wintervolkes haben sich seitdem nur noch auf die Fähigkeiten verlassen, die sie zuverlässig selbst beherrschen – dennoch rufen auch sie weiter die Götter an und befolgen die Rituale, die fest zu ihrem Handwerk und Alltag gehören.
Im Spiel bedeutet das, dass Magie nicht mehr so alltäglich und nicht mehr so mächtig ist, wie sie es einmal war. Die Charaktere führen zwar weiterhin ihre gewohnten Riten und Handlungen durch, aber es gibt keine Garantie, dass dies einen Effekt hat. Schicksalswendungen sind schwerer zu erkennen, Schutzzeichen und Flüche wirken nicht mehr und so manch einer mag sich fragen, ob die Götter das Wintervolk verlassen haben – auch wenn es niemand ausspricht.